Bücher

CRAIG TAYLOR – EURO PSYCHO

CRAIG TAYLOR – EURO PSYCHO

Kev is back. Anlässlich der EURO 2012 gibt sich der mordende Profi aus der Premier League erneut die Ehre. Das Morden tritt in diesem Buch ein wenig in den Hintergrund und geschieht zunächst nahezu beiläufig und unbemerkt. Dies tut dem Buch aber sichtlich gut, denn der Autor konzentriert sich darauf, sehr detailliert die Problematik der Bestechung von Spielern und Manipulation von Ligen und Spielen zu beschreiben. Dies geschieht so anschaulich und realistisch, dass am Ende ein bitterer Beigeschmack bleibt und die vage Hoffnung, dass bei der EURO 2012 hoffentlich doch alles mit rechten Dingen zugegangen sein möge.

 

Euro-Psycho

Hjorth & Rosenfeldt – Der Mann, der kein Mörder war

Hjorth & Rosenfeldt – Der Mann, der kein Mörder war

Die Motivation solch “dicke Dinger” anzufangen, zumal es sich um unbekannte Autoren einer eigentlich durchgekauten Materie (“Schweden-Krimis”) handelt, hielt sich zunächst in Grenzen. Nach den ersten hundert Seiten stellt sich aber durchaus Lesevergnügen ein, was an der (wieder mal) sehr gebrochenen Gestalt des Psychologen liegen dürfte, der trotz seiner Macken und trotz (oder wegen) seine Umgangs mit den forschen Kollegen, mehr und mehr an Form und Sympathie gewinnt. Die Story ist am Ende dann doch ein wenig zu wirr und konstruiert, die Wege zur Lösung verschlungen und voller Sackgassen. Und leider stellt sich in der Tat die Masse des Buches als Nachteil dar, denn es stellt sich Langeweile ein. Ein Drittel weniger wäre möglich gewesen, ohne das Spannung oder Story hätten leiden müssen. Der Nachfolger muss noch ein wenig warten, ich muss mich erst erholen und neu motivieren.

 

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Timur Vermes – Er ist wieder da

Timur Vermes – Er ist wieder da

Er ist wieder in aller Munde, sogar bei Plasberg gibt es eine “Diskussion”, ob man über Adolf Hitler Witze machen darf. Oder sogar ein Buch schreiben. Mit Schenkelklopfern. Und um sich dem Verdacht der platten Comedy zu entziehen, schreibt der Verlag schnell dazu, dass es sich ja eigentlich um eine Medienkritik, vielleicht gerade noch eine Mediensatire handelt. Naja. In der jüngeren, aber auch älteren Vergangenheit, gab es bereits einige Versuche, den Nazi-Konjunktiv zu umschreiben: “Was wäre wenn…?!”. Nun also der Versuch dem Thema mit Humor zu begegnen das Thema mit Medienkritik zu verknüpfen. Geht aber in die Hose. Vielleicht liegt es an den wohlwollend gemeinten Worten von Christioh Maria Herbst (dem ich seit seinem elenden Traumschiff-Diss nicht mehr viel abgewinnen kann), vielleicht liegt es aber auch an den immer wiederkehrenden “Gags”, in denen Hitler und die “TV-Leute” sich gründlich missverstehen,. Grundidee: Die TV-Leute denken er sei Comedian und er verschiebt einfach nur die Realität seines historischen Wütens ins Hier und Jetzt. Aber das ist zu wenig. Auch die Integration anderer Personen des öffentlichen Lebens wirkt ermüdend und vorhersehbar (man nehme die vermeintlich öffentlich Wahrnehmung einer Person und versehe sie mit antiquiertem Vokabular und einem Hitlerschen Duktus. Zündet nicht. Am Ende des Tages wird es dann wohl so sein, dass eine Produktionsfirma sich veranlasst sieht, den Erfolg des Buches zu nutzen und dieses verfilmt auf die Kinoleinwände oder 46”-Flachbildschirme dieser Republik zu transferieren. Mit CM Herbst als Adolf Hitler. Aber über Mario Barth lacht ja auch das halbe Land.

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Craig Taylor – Premiership Psycho

Craig Taylor – Premiership Psycho

American Psycho trifft Kill Your Friends trifft Premier League. Ein erfolgreicher (und sich noch mehr überschätzender) Kicker aus der höchsten britischen Spielklasse schildert seinen Alltag zwischen Training, Shopping, Spieltagen und rituellen Morden. Ja, richtig: rituelle Morde. Der Protagonist hat eine Macke und die überaus unangenehme Angewohnheit Menschen mit (in seinen Augen) schlechtem Benehmen oder Stil hinzurichten. Diese Idee allein trägt aber das Buch in seiner Breite nicht und deswegen ist es nur wirklich eingefleischten Fußball-Liebhabern zu empfehlen, die sich sicherlich über die detaillierten Beschreibungen und Einsichten in den Liga-Betrieb aus den Augen eines Profis amüsieren können. Den Rest hat man schon besser gesehen (siehe oben).

 

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Frank Schulz – Onno Viets und der Irre vom Kiez

Frank Schulz – Onno Viets und der Irre vom Kiez

Frank Schulz ist wortgewaltig. Und von dieser Wortgewalt macht er auch in seinem neuen Buch bis zum Erbrechen Gebrauch. Nur selten kam es in der Vergangenheit vor, dass ich Sätze zwei- bis dreimal lesen muss, um Anfang und Ende in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Master of Verschachtelung. Die Geschichte lässt sich nicht schnell nacherzählen, ist aber höchst amüsant. Dieter Bohlen kommt nicht gut weg, auch wenn er nie erwähnt wird. Allein deswegen ist das Buch lesenswert. Sehr loebenswert von Schulz, dass er einen großen Teil seiner Inspirationen in den Quellenangaben vermerkt – so sei ihm die deutliche Anlehnung an GEIL AUF GEWALT – UNTER HOOLIGANS in einer Szene auch verziehen. Für Hamburger und Hamburg-Verbundene eine Pflichtlektüre.

 

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Moritz von Uslar – Deutschboden

Moritz von Uslar – Deutschboden

Eigentlich ein spannendes Experiment: Ein Berliner Autor verschwindet für ein paar Monate in das Niemandsland, dass Berlin umgibt. Er freundet sich mit Einwohnern der Kleinstadt an, er versucht die ostdeutsche Seele jenseits von Berlin zu erkunden. Er zeichnet ein durchaus positives Bild der Menschen, die sich in einer Matrix aus Perspektivlosigkeit, Hartz4, schöner Landschaft und geduldeter Rechtstümelei bewegen. Und genau da fehlt es dem Buch: Er läßt die Einwohner über die Gründe ihrer (früheren?) Gesinnung referieren, er läßt sie erklären, warum sie nun nicht mehr “rechts” sind, er greift diesen Faden aber nicht auf, wenn sie sich aber nur zu offensichtlich weiterhin in den engen Grenzen rechter Gesinnung bewegen. Er nimmt es hin und verpackt es in die sommerliche Idylle der brandenburgischen Seenlandschaft. Schade, hätte entlarvender sein können.

 

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Wolfgang Herrndorf – Sand

Wolfgang Herrndorf – Sand

Was fällt einem spontan zu Tschick ein? Roadmovie, Freundschaft, Außenseiter, Sommer. In SAND findet man davon gar nichts wieder, man wird in eine nahezu kafkaeske Welt entführt. Die bestimmenden Motive von SAND sind dann auch eher Misstrauen, Leere, Verlust und Fremde. 30 Sekunden reichen längst nicht aus, um alle Eindrücke im Ansatz zusammenzutragen, die Herrndorf seinen Lesern im positiven Sinne zumutet. Ein unglaublich faszinierendes Buch, bei dem man sich nur fragt: Wer kann das auch nur annähernd adäquat verfilmen?

 

Wolfgang Schorlau – Letzte Flucht

Wolfgang Schorlau – Letzte Flucht

Kein anderer deutscher Autor schafft es auf so beeindruckende Weise seine Geschichten mit aktuellen und historischen, politischen Themen zu verbinden, ohne dass es aufgesetzt wirkt. In diesem Fall wird dem Laien das marode Gesundheitssystem nähergebracht und die kriminellen Machenschaften der Pharmakonzerne in diesem maroden System, die ihre Strategien genau auf die Lücken des System ausrichten und ihre Profite damit massiv optimieren. Nebenbei wird aber auch das Thema Stuttgart 21 angeschnitten und auch hier zeigt sich die Akribie in Schorlaus Recherche. Spannend und informativ. Manchmal muss es nicht mehr sein.

Arne Dahl – Dunkelziffer

Arne Dahl – Dunkelziffer

Skandinavische Krimis leben ja oftmals von ihrer düsteren Atmosphäre und der zuweilen an den Nerven zehrenden Geschichte. Arne Dahl und seine auf 10 Bände angelegte Serie über die Stockholmer A-Gruppe macht da keine Ausnahme. Auch in Dunkelziffer gibt es wieder ein gesellschaftlich relevantes Fokusthema (Pädophilie) und auch in Dunkelziffer fügen sich die zuvor sorgfältig zurecht gelegten Puzzle-Teile und Handlungsstränge zum dramatischen Finale zusammen. Soweit so gut. Was sich aber bereits in den letzten beiden Geschichten abzeichnete, wird in Dunkelziffer zum überflüssigen Ärgernis. Arne Dahl verdichtet die ausufernden atmosphärischen Beschreibungen und vor allem die komplexe (und komplexbeladene) Gedankenwelt seiner Protagonisten zu einem kruden Esoterik-Gemisch. Es vergeht einem die Lust am Lesen schneller, als man den recht offensichtlichen Fortschritt der Geschichte vorhersagen kann. Und so langsam – so leid mir das nach den brillianten ersten Fällen tut – sehnt man eine baldige Auflösung der A-Gruppe herbei.

 

 

 

 

Josh Bazell – Schneller als der Tod

Josh Bazell – Schneller als der Tod

Ein Mafia-Killer kommt in ein Zeugenschutzprogramm und arbeitet von da an als Arzt in einem New Yorker Krankenhaus. Der eigentlich Plot ist aber gar nicht das Besondere an diesem Buch. Viel faszinierender ist die sehr glaubwuerdige Beschreibung der Ausbildung und “Karriere” des Protagonisten und die sehr detaillierten Einblicke in den Zustand des amerikanischen Gesundheitssystems, in dessen Obhut man sich besser nie begeben muss. Gewarnt sei der geneigte Leser vor dem geradzu unglaublichen Ende, in dem eine Waffe zum Einsatz kommt, an die man nicht mal zu denken gewagt hat. Spannend, fesselnd und erfrischend anders.